Gegen Ende des 19. Jahrhunderts betrieben die rund 8.000 Einwohner entlang der heutigen Bahnstrecke überwiegend Landwirtschaft. Sie führten Ihre Erzeugnisse wie Kartoffeln, Heu, Stroh und Vieh
vielfach nach Bremen aus. Zum größten Teil wurden jedoch die Güter per Fuhrwerk zum nächstgelegenen Staatsbahnhof gefahren.
Neben Mühlen gab es an industrieellen Anlagen Molkereien, Kornbrennereien, Holzschuh- und Sitzmöbelwerkstätten. In Harpstedt, sowie auch u. a. in Heiligenrode waren zahlreiche Geschäftsleute und
Handwerker ansässig und die in der Nähe von Harpstedt liegenden Wälder verfügten über erhebliche schlagbare Waldbestände.
Trotz dieses guten Verkehrsaufkommens, fehlte dem an der oldenburgischen Grenze liegenden Teil des Kreises Syke eine seit langem gewünschte Bahnverbindung.
Nach Verabschiedung des preußischen Gesetzes über Kleinbahnen und Privatanschlußbahnen vom 28. Juli 1892 gab es verschiedene Planungen, Harpstedt mittels einer Kleinbahn an das Eisenbahnnetz
anzuschließen. Eine Bahn direkt nach dem Kreissitz Syke zu bauen, erschien hinsichtlich der Rentabilität nicht wirtschaftlich zu sein. Der Anschluss an die Hansestadt Bremen bereitete
Schwierigkeiten, da die bestehende Kleinbahn Bremen - Thedinghausen zu kreuzen gewesen wäre. So wurde der Entschluss gefasst, in Delmenhorst an die Staatsbahnstrecke Bremen - Oldenburg -
Wilhelmshaven anzuschließen. Auf preußischem Gebiet war der Streckenverlauf 1907 gesichert und nachdem Delmenhorst 1909 seine Zustimmung gab, konnte am 9. August 1910 beim Amtsgericht Bassum der
Gesellschaftsvertrag der "Kleinbahn Delmenhorst - Harpstedt G.m.b.H." abgeschlossen werden. Das Stammkapital von 1.000.000 Mark verteilte sich wie folgt:
- Königlich Preußischer Staat 250.000 Mark
- Großherzoglich Oldenburgischer Staat 125.000 Mark
- Provinz Hannover 250.000 Mark
- Stadtgemeinde Delmenhorst 125.000 Mark
- Fleckensgemeinde Harpstedt 118.000 Mark
- Landgemeinde Dünsen 16.000 Mark
- Landgemeinde Groß Ippener 25.000 Mark
- Landgemeinde Kirchseelte 18.000 Mark
- Landgemeinde Heiligenrode 36.500 Mark
- Landgemeinde Groß Mackenstedt 36.500 Mark
Bald darauf begann der Bahnbau und am 5. Juni 1912 folgte die Einweihung. Für den Betrieb standen drei Dampflokomotiven, fünf Personen-, ein Gepäck- und Postwagen, sowie zehn Güter- und zwei Bahnmeisterwagen zur Verfügung. Mit diesen Betriebsmitteln wurden täglich vier Zugpaare gefahren. Von der 22,5 km langen Strecke befanden sich 17,6 km auf preußischem und 4,9 km auf oldenburgischem Gebiet. Bedient wurden die Stationen Delmenhorst, Hasporterdamm, Annenheide, Stelle, Groß Mackenstedt, Heiligenrode, Kirchseelte, Groß Ippener, Dünsen und Harpstedt. Das neue Verkehrsmittel sollte, wie sich später zeigte, das wirtschaftliche Leben in den folgenden Jahren recht positiv beeinflussen.
Die positive Entwicklung unterbrach der 1. Weltkrieg: Es fuhren weniger Zugpaare und sonntags musste der Verkehr zeitweise ruhen. 1925 hatten sich die Verhältnisse so weit gebessert, dass der Fahrplan auf werktags vier und sonntags fünf Fahrten aufgestockt werden konnten. Gleichzeitig erfolgte die Beschaffung zweier neuer Dampflokomotiven und der Bau des eigenen Güterbahnhofs Delmenhorst Süd an der Grüne Straße.
Etwa 60.000 Tonnen Güter und 140.000 Fahrgäste beförderte die Kleinbahn damals im Jahr. Für den immer stärker werdenden Ausflugsverkehr gab es ab 1928 sogar sonntags durchgehende Wagen von und nach Bremen Hbf.
Vorkriegsbus
Die schlechte wirtschaftliche Lage Anfang der 30er Jahre und der aufkommende Straßenverkehr machten auch der Kleinbahn Delmenhorst - Harpstedt zu schaffen. Zur Attraktivitätssteigerung und Kostensenkung beschaffte sie deshalb 1936 zwei Schienenbusse der Bauart "Hannover" von der Triebwagen- und Waggonfabrik Wismar. Schon 1930 war die Kleinbahn nach Anschaffung eines gebrauchten Omnibusses in den Gelegenheitsverkehr auf der Straße eingestiegen, welcher aber mit Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wieder eingestellt wurde.
Im Zuge der Aufrüstung entstanden Mitte der 30er Jahre von den Bahnhöfen Annenheide und Groß Ippener ausgehende Anschlussgleise zur Versorgung eines Flugplatzes und einer Munitionsanstalt. In der Nacht zum 24. Juli 1940 explodierten bei einem Luftangriff vier Wagen eines auf dem Harpstedter Bahnhof abgestellten Munitionszuges, wobei ein Wachsoldat ums Leben kam und das Bahnhofsgelände verwüstet wurde. Im weiteren Verlauf des Krieges nahmen die Angriffe auf die Kleinbahn zu, wobei mehrere Tote zu beklagen waren und der Verkehr letztendlich zum Erliegen kam.
Am 6. August 1945 konnte der Zugverkehr wieder aufgenommen werden. Nun fuhren viele Menschen mit der Kleinbahn aufs Land, um Lebensmittel zu besorgen ("Hamsterfahrten").
Oldie Bus
Nach der Währungsreform 1948 normalisierte sich der Verkehr wieder. Aber schon bald bereitete der private Kraftverkehr der Bahn ernsthafte Probleme. Die Kleinbahn reagierte hierauf, indem sie 1949 ihre erste Buslinie einrichtete, 1954 einen ersten LKW beschaffte und im Schienenpersonenverkehr seit Mitte der 50er Jahre wirtschaftlichere gebraucht erworbene Dieseltriebwagen einsetzte. Dennoch sanken die Fahrgastzahlen immer stärker ab. Der Güterverkehr blieb jedoch noch konstant und erreichte 1957/58 nie gekannte Ausmaße, als zum Bau der Bundesstraße 75 insgesamt 786.100 Tonnen Sand von Kirchseelte nach Delmenhorst befördert wurden.
1967 endete der Personenverkehr auf der Schiene, nachdem schon seit 1964 sonntags kein Zug mehr gefahren war. Die Delmenhorst - Harpstedter Eisenbahn GmbH, wie sich das Unternehmen seit 1951 nennt, verkaufte nun alle nicht mehr benötigten Fahrzeuge. Für den verbliebenen Güterverkehr wurden nur noch ein zweiachsiger Schlepptriebwagen, ein Gepäckwagen, eine Draisine und die 1958 beschaffte Diesellokomotive erhalten.
Wurden im Güterverkehr 1969 noch 93.500 t auf der Schiene befördert, sank das Aufkommen auf 30.400 t im Jahr 1986, wobei die meisten Güter im Stadtgebiet von Delmenhorst anfielen. Erst durch die Aufnahme eines Werksverkehr zwischen Meistermarken-Werke (jetzt BakeMark) in Delmenhorst-Süd und einem Hochregallager der Spedition Federal Expreß (jetzt DHL) besserte sich die Lage. Für diesen Neuverkehr, und als Ersatz für zwischenzeitlich eingesetzte Gebrauchtloks, wurden eine neue funkferngesteuerte Diesellok und erstmals seit langer Zeit wieder eigene (gebrauchte) Güterwagen beschafft. Die beförderte Gütermenge stieg so wieder auf 92.600 t im Jahr 1998.
Mit dem Niedergang des Schienenpersonenverkehrs seit den 50er Jahren stiegen die Leistungen des Kraftverkehrsbetriebes ständig an. Grund hierfür waren vor allem auch die Bildung von Mittelpunktschulen. Seit 1989 sind die Buslinien in den Verkehrsverbund Bremen/Niedersachsen integriert.
Seit 1978 gibt es auch wieder die Gelegenheit, an einigen Tagen im Jahr auf der Schiene von Delmenhorst nach Harpstedt zu fahren. Seit diesem Jahr lassen die Delmenhorst - Harpstedter Eisenbahnfreunde nach festem Fahrplan die Historische Kleinbahn"Jan Harpstedt" verkehren. Wurde zunächst der Triebwagen T 121 der DHE eingesetzt, zieht seit 1992 wieder eine Dampflokomotive den Museumszug und erinnert so an längst vergangene Kleinbahnzeiten.